Deutsche Gesellschaft für Veterinärdermatologie

Canine juvenile Zellulitis

Bolonka-Zwetna Hündin Momo

20. Dezember 2010 / Dr. med. vet. Edda Hoffmann, Erkrath

Einleitung

Die juvenile Zellulitis, auch als juvenile Pyodermie beschrieben, ist eine seltene granulomatöse und pustuläre Veränderung des Gesichts, der Ohrmuscheln und der submandibulären Lymphknoten, die normalerweise nur bei Welpen vorkommt (1). Sie tritt meist im Alter von drei Wochen bis sechs Monaten auf (2). Ursache und Pathogenese dieser Erkrankung sind unbekannt. Der Verdacht einer vererblichen Komponente wird unterstützt durch eine Prädisposition bei verschiedenen Rassen, wie Golden Retriever, Labrador, Dackel und Gordon Setter (3). Der Fall eines 2-jährigen Lhasa-Apso ist beschrieben, der einen adult-onset der juvenilen Zellulitis hatte und auch andere Fälle bei jungen erwachsenen Hunden (4).

Als typische Symptome der juvenilen Zellulitis entwickeln sich Bläschen, Pusteln, seröses bis purulentes Exsudat, Krusten, Zellulitis und Alopezie an Lippen, Schnauze, Kinn und an den Lidrändern (3). In der Regel besteht eine deutliche Schwellung der regionalen Lymphknoten, die Tiere sind häufig febril und apathisch.

Hündin Momo: beide Lider sind hochgradig angeschwollen

Vorbericht

Am 28. September 2009 wird meiner Kollegin die weiblich kastrierte Bolonka-Zwetna Hündin "Momo", braun-weiß, 3,9 kg, *2006 wegen purulenter Konjunktivitis vorgestellt. Sie ist zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt, das Allgemeinbefinden ist leicht reduziert. Die Hündin ist das einzige Haustier in der Familie, war nie im Ausland und erhält eine Diät aus Trocken- und Nassfutter.

Eine eingehende ophthalmologische Untersuchung ergibt eine hochgradige Blepharokonjunktivitis. Die Hündin erhält Fusidinsäure (Fucithalmic ®), die Besitzer den Rat den Hund in der Hautsprechstunde vorzustellen.

Vier Tage später wird der Hund bei mir erneut vorgestellt. Der Allgemeinzustand hat sich verschlechtert, die Hündin ist apathisch und anorektisch. Beide Lider sind hochgradig angeschwollen, so auch die submandibuläre Lymphknoten. Aus den Lidern wird purulentes Sekret abgesondert.

Die Schleimhäute sind gerötet, die kapilläre Rückfüllungszeit < 2 Sekunden, Herzfrequenz 128 Schläge pro Minute, die Lunge ist frei, das Abdomen weich, die rektale Temperatur liegt bei 39,4 Grad Celsius.

Differenzialdiagnosen

  • Virale Infektion mit sekundärer bakterieller Blepharitis
  • Juvenile Zellulitis
  • Erkrankungen autoimmuner Genese (z.B. Pemphigus foliaceus)
  • Atopie
  • Futtermittelallergie / Futtermittelunverträglichkeit

Aufgrund des Alters besteht der Verdacht einer viralen Infektion. Die Hündin wird symptomatisch mit Immunitätsinducern (Zylexis ®) und antibiotisch mit Amoxicillin und Clavulansäure (Clavaseptin ®) behandelt.

Das Kinn ist deutlich geschwollen

Weitere vier Tage später hat sich der Allgemeinzustand leicht verbessert. Die Schwellung der Lymphknoten ist nicht zurückgegangen. Der Hund erhält nun andere Ophthalmologika (Dexa-Polyspectran ®).

Am 08. Oktober 2009 hat sich das Hautbild gravierend verschlechtert. Periokulär besteht eine Alopezie. Das Kinn ist deutlich geschwollen, aus der Haut tritt eitriges Sekret aus. Die Vulva ist erythematös und angeschwollen. Auf dem Nasenspiegel haben sich Krusten gebildet, die fest auf der Haut anheften. Der Verdacht eines autoimmunen Geschehens wird geäußert und den Besitzern dringend dazu geraten eine Bioptat-Entnahme durchführen zu lassen.

Ein Trichogramm und ein Hautgeschabsel sind negativ auf Parasiten. Ein zytologischer Abklatsch ergibt neutrophile Granulozyten, mononukleäre Zellen und vereinzelt Kokken. Die Besitzer möchten unbedingt eine Narkose umgehen. Die Hündin erhält ein anderes Antibiotikum – Marbofloxacin (Marbocyl ®) und Prednisolon in der Dosierung 1,5 mg / kg einmal täglich.

Vier Tage später sind die Lymphknoten etwas kleiner, die Hündin jedoch weiter apathisch und die Haut hat sich nicht verändert. Eine Woche später sind die Besitzer bereit Gewebeproben entnehmen zu lassen. Der Hündin werden in Narkose sechs Hautstanzen entnommen, die Lymphnoten werden punktiert (siehe histopathologischer Bericht) und es erfolgt eine Zahnsanierung mit Politur.

Zwei Tage später wird die Hündin wegen Pollakisurie, Stangurie und Hämaturie vorgestellt. Sie erhält von der Kollegin erneut ein Antibiotikum (TSO ®). Am 23. Oktober 2009 geht es der Hündin wieder schlechter. Die Besitzer haben seit der Narkose kein Prednisolon mehr gegeben. Die Lymphknoten sind erneut deutlich vergrößert, das Allgemeinbefinden reduziert. Der Hund wird wieder auf Prednisolon (jetzt 2,5 mg / kg SID) und Doxyzyklin 5 mg / kg zweimal täglich gesetzt, trotz Polydipsie / Polyurie und Zystitis.

Weiterhin wird eine Blutuntersuchung eingeleitet und ein bakterielle Tupferprobenentnahme der Konjunktiven. Beide Untersuchungen sind nicht auffallend, als Keim wird Enterobacter cloacae erst nach Anreicherung gefunden.

Drei Tage später geht es der Hündin signifikant besser. Die Lider, Kinn und auch die Lymphknoten sind deutlich abgeschwollen. Es besteht keine Hämaturie mehr, das einzige Problem ist Polydipsie/Polyurie. Es wird eine Dosisreduktion des Prednisolon vorgenommen (1,7 mg / kg SID), die aber zu einem Rezidiv der Hautsymptome führt, so dass die Dosis von 2,5 mg / kg SID die nächsten 15 Tage beibehalten wird.

Bei einem Kontrolltermin am 19. November 2009 sind die Augen und Lider wieder normal auch das Kinn nur auf dem Nasenspiegel bestehen noch leichte Krusten. Die Dosis wird wieder auf 7,5 mg / kg SID reduziert, diesmal gibt es kein Rezidiv. Das Doxyzyklin wird abgesetzt und Prednisolon Woche für Woche langsam reduziert, am 22. Dezember ist "Momo" symptomfrei und ohne Steroide.

Kontrolltermin am 19. November 2009

Histopathologie

Durchgeführt von Dr. Wolf von Bomhard, Fachtierarzt für Pathologie, Diplomate ECVP in der Fachpraxis für Tierpathologie, München.

Bericht

Es liegen sechs 0,3 cm breite Hautstanzen vor. In den histologischen Präparaten aller Lokalisationen zum Teil hyperplastische, zum Teil ulzeriertes Epithel. Darunter scharf umschriebene perifollikuläre Granulome und Pyogranulome. Dazwischen zum Teil atrophische, zum Teil hyperplastische Haarbälge und Adnexdrüsen. Immer wieder spongiotische Auflockerungen der äußeren Follikelscheiden und dezente Exozytose in den Lymphknoten. Oberflächlich kleinere Krusten und Hyperkeratose.

Es liegen zudem zwei ungefärbte zytologische Ausstriche vor. In den nach Wright gefärbten zellreichen Präparaten besteht eine heterogene Population ausgereifter kleiner Lymphozyten und großer Lymphoblasten. Dazwischen wenige Plasmazellen und immer wieder neutrophile Granulozyten.

Beurteilung

Pyogranulomatöse perifollikuläre Dermatitis mit Ulzeration und Krusten. Die zytologischen Präparate sind hinsichtlich der Frage nach Malignität negativ, nach florider Entzündung positiv.

Kritischer Bericht

Es liegt eine noduläre pyogranulomatöse Dermatitis vor. Zytologisch lässt sich darüber hinaus eine Lymphadenitis nachweisen. Das histologische Bild wäre durchaus mit der klinischen Vorstellung einer juvenilen Zellulitis vereinbar. Die Altersgruppe des Patienten passt allerdings zu einer solchen Vorstellung nicht. Differenzialdiagnostisch kommt ein steriles Pyogranulomatose-Syndrom in Betracht. Vor einer solchen Diagnosestellung sollte jedoch eine infektiöse Ursache ausgeschlossen sein. Wir werden daher noch Spezialfärbungen auf Mykobakterien und Pilze durchführen – diese Untersuchungen bleiben negativ.

Auch klinischerseits sollte eine bakteriologische Untersuchung erfolgen. Kein Hinweis auf eine Autoimmunopahtie. Auch für eine Allergie ist das Bild untypisch.

Nach einem Telefonat mit Dr. Bomhard und der Schilderung der klinischen Präsentation des Falles, beruft er eine round-table Diskussion mit den anderen Pathologen ein. Alle einigen sich darauf, dass es doch eine juvenile Zellulitis sein kann.

Geschwollenes Auge

Diskussion

Die Problematik der Diagnosefindung in diesem Fall stellt ganz klar das Alter der Hündin da. Auch wenn Fälle bei jungen erwachsenen Hunden mit juveniler Zellulitis vorkommen (4), so sind sie doch sehr selten.

Die Präsentation der Symptome sind jedoch klassisch für eine juvenile Zellulitis: Akut geschwollenes Gesicht, vor allen Dingen an den Augenlidern, Lippen und Kinn. Die Läsionen fisteln typischerweise und es bilden sich Krus­ten (3). Auch Anus und Präputium können betroffen sein (2), bei dieser Hündin ist die Vulva stark angeschwollen.

Es ist immer sicher zu gehen, dass die Hautveränderungen nicht durch Mikroorganismen hervorgerufen werden, da die Therapie mit hochdosierten Steroiden eingeleitet wird und diese eine infektiöse oder auch parasitäre Ursache (z.B. Demodex) verschlimmern kann.

Bei "Momo" werden weder in der Zytologie, Histologie, noch in der bakteriellen Tupferprobenentnahme auslösende Mikroorganismen gefunden.

Auch die Histologie ist typisch für eine Zellulitis: Multiple diskrete oder konfluente Granulome und Pyogranulome, die aus Anhäufungen von großen epitheloiden Makrophagen mit unterschiedlich großen Kernen aus neutrophilen bestehen (3).

Wie im Fall "Momo" deutlich wird ist eine sehr hohe Dosis an Kortikosteroiden nötig um die Hautveränderungen zu therapieren. Eine Anfangsdosierung von 1,5 mg / kg SID reicht nicht aus, erst eine Dosisanpassung von 2,5 mg / kg SID bringt den gewünschten Erfolg und muss über zwei Wochen aufrechterhalten werden. Zum Glück sind die Begleiterscheinungen einer Zystitis mit Hämaturie mit Antibiose unter Kontrolle zu bringen und die Besitzer halten die Nebenwirkungen (Polydipsie / Polyurie) aus.

Referenzen

1) White SD et al. Juvenile cellulitis in dogs: 15 cases (1979 - 1988). J Am Vet Med Assoc 195: 1609, 1989
2) Medleau L, Hnilica KA. Dermatologie in der Kleintierpraxis. Elsevier Verlag, 1. Auflage 2007, 286 - 287
3) Scott DW, Miller WH, Griffin CE. Muller & Kirk´s Small Animal Dermatology. Saunders 2001, 1163 - 1167
4) Jeffers JG et al. A dermatosis resembling juvenile cellulitis in an adult dog. J Am An Hosp Assoc 31:204, 1995

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