Generalisierter Notoedres Befall bei einer Katze
Juckreiz, Krusten und respiratorischen Symptome
06. Februar 2013 / Dr. med. vet. Stefan Hobi, Resident Dermatologie und Prof. Dr. med. vet. DipECVD, DipACVD, FANZCVSc
Medizinische Kleintierklinik, Abteilung Dermatologie
Ludwig Maximilian Universität
Veterinärstraße 13
80539 München
Deutschland
Fallpräsentation
Eine ca. sechs Monate alte, männlich intakte, EKH Katze wurde uns auf der Abteilung Dermatologie der Medizinische Kleintierklinik der Ludwig Maximilian Universität München mit Juckreiz, Krusten und respiratorischen Symptomen vorgestellt. Die Katze wurde kurz davor in schlechtem Allgemeinzustand aufgefunden und bei uns an der Klinik vorbeigebracht. Entsprechend haben wir in diesem Fall keine ausführliche Anamnese.
Bei der Allgemeinuntersuchung waren flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen, Borborygmi, ein leicht seröser, bilateraler Nasenausfluss, sowie ein gelegentliches Niesen festzustellen. Die Katze hat bei uns mit grossem Appetit gefressen und hat auch regelmässig Wasser aufgenommen.
Dermatologisch sind uns v.a. Alopezie, Erythem, leichte Schuppen- und massive Krustenbildung aufgefallen. Dabei waren v.a. die äusseren Pinnae, das Gesicht und auch die Tarsi betroffen. Differentialdiagnostisch haben wir v.a. an Notoedres, Allergie, Demodex und Dermatophytose gedacht. Das Niesen und der seröse Nasenausfluss haben wir mit Katzenschnupfen assoziiert, sowie der flüssigkeitsgefüllte Darm bzw. die Borborygmi mit einem Wurmbefall. Andere potentielle Ursachen konnten wir jedoch nicht ausschliessen.
Wegen dem klinischen Verdacht eine sekundären Pyodermie, haben wir zahlreiche Zytologie-Proben von unterhalb der Krusten entnommen, mit Diff-Quick angefärbt und direkt unter dem Mikroskop bei uns im Haus analysiert. Um allfällig vorhanden Milben auszuschliessen, haben wir mehrere oberflächliche, sowie tiefe Hautgeschabsel entnommen. Da wir eine Dermatophytose nicht sicher exkludieren konnten, haben wir die Wood`sche Lampe zur Hilfe genommen, sowie zahlreiche Krusten, Schuppen und eine Bürstensammelprobe nach MacKenzie für eine Pilzkultur eingereicht. Im Weiteren haben wir aufgrund der Vorgeschichte und der allgemeinen Präsentation des Patienten eine Blut- (Hämatologie/Chemogramm), Kot-, sowie eine FeLV/FIV Schnelltestuntersuchung eingeleitet.
Die Zytologien haben unseren klinischen Verdacht einer Pyodermie bestätigt, da wir Neutrophile Granulozyten (je nach Lokalisation 1+ bis 3+), kokkoide Bakterien (je nach Lokalisation 1+ bis 3+), sowie Phagozytose gesehen haben. Die Woodsche Lampe hat keine apfelgrüne Fluoreszenz entlang der Haarschäfte gezeigt, was eine Dermatophytose leider nicht ausschliesst. Diese konnte dann aber später ausgeschlossen werden, da auch nach dreiwöchigem Bebrüten im Labor kein Pilz auf dem DTM-Agar gewachsen ist. Die multiplen Geschabsel haben einen Parasiten in den verschiedenen Stadien gezeigt, der vereinbar war mit Notoedres cati.
Der Nachweis des Felinen Leukämie Virus Antigen, sowie der Felinen Immunschwäche Anämie Virus Antikörper konnte im Schnelltest nicht erfolgen. Die Serumwerte waren unauffällig, jedoch waren in der Hämatologie zahlreiche Veränderungen vorhanden (Leukozyten 37,32 (6 – 11∗10^9/l); Neutrophile Granulozyten 21,52 (3 – 11∗10^9/l); Lymphozyten 4,61 (1 – 4∗10^9/l); Monozyten 2,7 (0,04 – 0,5∗10^9/l); Eosinophile Granulozyten 8,45 (0,04 – 0,6∗10^9/l). Im Kot konnten zahlreiche Toxocara Spulwürmer nachgewiesen werden.
Aufgrund der Resultate haben wir bei dieser Katze folgende Diagnose gestellt: Feline Notoedres Räude mit sekundärer, oberflächlichen Pyodermie, Toxocarose, sowie Verdacht auf Katzenschnupfen.
Die Milben haben wir mit dreimaliger Applikation von Stronghold im Abstand von zwei Wochen, sowie die sekundäre Pyodermie mit Synolux (Amoxicillin/Clavulansäure) mit einer Dosierung von 15 mg/kg zweimal täglich per os behandelt. Der Juckreiz hat sich innerhalbe weniger Tage eingestellt und die Hautläsionen sind ca. sieben bis zehn Tage später in Remission gegangen. Obwohl Stronghold auch gegen Spulwürmer angewendet werden kann, haben wir die Katze zusätzlich noch mit Panacur-Paste über fünf Tage per os behandelt, wobei schon innerhalb weniger Tage nur noch tote Toxocariden im Kot nachgewiesen werden konnten. Der möglich vorhandenen Katzenschnupfen-Komponente haben wir mit Feliserin (Antikörper gegen Panleukopenie-, Rhinotracheitis-, sowie Calicivirus) entgegengewirkt. Dabei haben sich die respiratorischen Symptome innerhalbe weniger Wochen eingestellt. Die Katze wurde dann nach der zweiten Applikation von Stronghold aus der Klinik entlassen.
Diskussion bzw. Erläuterungen zum Fall
Der Notoedresbefall bei der Katze tritt weltweit sehr selten auf, wobei es bestimmte endemische Gebiete zu geben scheint. In Europa wird die Prävalenz auf ca. zwei Prozent geschätzt. Bis jetzt sind keine Rassen-, Alters- und/oder Geschlechtsprädispositionen bekannt.
Befallen wird v.a. die Katze, jedoch sind auch Fälle beim Hund, bei Füchsen, sowie beim Kaninchen beschrieben. Der Mensch kann auch betroffen sein, jedoch handelt es sich hier nur um eine transiente Infestation.
Als Erreger kommt vorwiegend Notoedres cati in Frage, allerdings sind eine handvoll Fälle auch mit Sarcoptes scabiei berichtet (oft mit einer systemischen Erkrankung assoziiert).
Notoedres cati gehört wie Sarcoptes scabiei zur Familie der Sarcoptidae. Die Notoedres Milbe hat gewisse Ähnlichkeiten zur Sarkoptes Milbe, ist jedoch etwas kleiner (ca. 200 μm), die dorsale Cuticula weist mehr Ringe auf und der Anus befindet sich auf der dorsalen Seite (bei Sarcoptes am terminalen Ende).
Die Vermehrung des Parasiten findet auf dem Wirt statt, wobei die Weibchen sich in die oberste Schichten der Epidermis eingraben, ihre Eier ablegen, woraus dann die Larven hervorkommen, die sich weiter zu Nymphen und schliesslich zu den Adulten entwickeln. Der ganze Zyklus dauert ca. zwei bis drei Wochen.
Die Übertragung von Notoedres erfolgt in den meisten Fällen direkt von Tier zu Tier, obwohl eine indirekte Übertragung aus der Umgebung nicht ganz ausgeschlossen werden kann, allerdings scheinen da die adulten Milben nur einige wenige Tage überleben zu können.
Die Erkrankung ist hoch kontagiös und kann auf andere Tiere, wie auch vorübergehend auf den Menschen übertragen werden.
Eine direkte Übertragung von der Katze auf das Kaninchen scheint sehr schwierig zu sein, so dass es gut sein könnte, dass beim Kaninchen ein anderer Unterstamm vorhanden ist (N. cati ssp. cuniculi?!). Vernachlässigte Katzen, mangelernährte Katzen und Katzen mit einer schweren Erkrankung scheinen für diese Art von Parasitose prädisponiert zu sein.
Die ersten Läsionen treten typischerweise aussen an den Pinnae auf, schreiten aber relativ schnell weiter auf den Gesichtsbereich, den lateralen Nacken und schlussendlich auf den ganzen Körper. In den meisten Fällen ist starker Pruritus vorhanden, durch welchen dann auch sehr schnell sekundäre Effloreszenzen, sowie bakterielle Infektionen hinzukommen können.
Was für die Notoedres Räude ziemlich charakteristisch ist, sind die massiven, teils sehr grossflächigen Krusten, die der Haut eng anliegen. Andere beschriebene Läsionen sind Alopezie, Erythem, Schuppen- und Faltenbildung. In vielen Fällen kommt es auch zu einer Vergrösserung der peripheren Lymphknoten. Wenn man die Erkrankung nicht weiter behandeln würde, kann es zu Appetitlosigkeit, Abmagerung, Sepsis und schliesslich zum Tode kommen.
Lime Sulfur zwei Prozent bis vier Prozent Lösung (gemäss Beilage verdünnen und einmal wöchentlich auf die Haut auftragen und eintrockenen lassen; die Behandlung wird wöchentlich bis zum Abheilen der Läsionen aufgetragen; off label use), Ivermectin (200 μg/kg einmal wöchentlich subkutan für ca. drei Applikationen, off label use), Doramectin (200 μg/kg einmalig subkutan, off label use) und Selamectin (Stronghold©, mindestens zwei Applikationen im Abstand von zwei bis drei Wochen, off label use) sind Medikamente, die man in der Literatur zur Behandlung dieser Milben finden kann.
Obwohl nicht viele Fälle beschrieben sind, scheint es so zu sein, dass der Juckreiz innerhalb von ca. sieben Tagen, sowie die Hautläsionen innerhalb von ca. 14 Tagen massiv besser werden, sofern es zu keinen Komplikationen kommt.
Der von uns beschrieben Fall ist also eine Rarität und scheint mit dem bis jetzt Beschriebenen sehr gut übereinzustimmen.
Die Veränderungen, die wir v.a. in der Hämatologie gesehen haben, sind vereinbar mit dem Parasitenbefall, der bakteriellen Sekundärinfektion, der Toxocarose, sowie der möglich vorhandenen Katzenschnupfen-Symptomatik.
Literatur
Treatment of Notoedres cati infestation in cats with selamectin, Itoh N, Muraoka N, Aoki M, Itagaki T, Vet Rec. 2004 Mar 27;154(13):409.
Use of doramectin for treatment of notoedric mange in five cats, Delucchi L, Castro E, J Am Vet Med Assoc. 2000 Jan 15;216(2):215-6, 193-4.
1st successful results in the treatment of Notoedres cati with ivermectin, Bigler B, Waber S, Pfister K, Schweiz Arch Tierheilkd. 1984 Jul;126(7):365-7.
Notoedric mange in the bobcat, Felis rufus, from south Texas, Pence DB, Matthews FD 3rd, Windberg LA, J Wildl Dis. 1982 Jan;18(1):47-50.
Human notoedric scabies from contact with cats infested with Notoedres cati, Chakrabarti A, Int J Dermatol. 1986 Dec;25(10):646-8.
IVERMECTIN THERAPY IN THE MANAGEMENT OF NOTOEDRIC MANGE IN CATS, K. Senthil Kumar , P. Selvaraj, S. Vairamuthu , S.R. Srinivasan and D. Kathiresan, Tamilnadu J. Veterinary & Animal Sciences 4 (6) 240-241, November – December 2008.
Small Animal Dermatology, Scott, Miller and Griffin, Saunders
Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin, Eckert, Friedhoff, Zahner und Deplazes, Enke Verlag