Lymphozytäre Follikulitis bei einem Rottweiler
Fortschreitender Haarausfall
20. Juni 2024 / Miriam Utzmann
Ein dreieinhalb Jahre alter männlich unkastrierter Rottweiler wurde aufgrund von seit einem Jahr fortschreitendem Haarausfall mit mildem Juckreiz in der dermatologischen Sprechstunde vorgestellt. Die Symptomatik begann mit einer kleinen alopezischen Läsion am rechten lateralen Oberschenkel und breitete sich von dort weiter aus, von lateral nach dorsal bis auf die linke Körperhälfte und von kranial nach kaudal. Zum Zeitpunkt der Präsentation war fast die komplette kaudale Körperhälfte inklusive des Schwanzes hypotrichot. Der Juckreiz lag bei 3-4/10. Der Hund war aufgrund des Verdachts auf Milbenbefall (positiver Sarcoptes-Titer) zum Vorstellungszeitpunkt bereits mehrfach mit verschiedenen Antiparasitika (Bravecto einmalig, Stronghold drei Mal im Abstand von vier Wochen) vorbehandelt worden – ohne Verbesserung. Eine Blutuntersuchung war (abgesehen von einer geringgradigen Leukozytose von 14,2 G/l mit Monozytose und einem geringgradig erhöhten Gesamteiweiß von 77,9 g/l mit geringgradig erhöhten Globulinen von 45,1 g/l) unauffällig gewesen, ein Serum-Allergie-Vortest war positiv auf Milben gewesen (Reaktionsklasse 4) und eine Dermatophyten-PCR war negativ gewesen. Der Hund hatte keinen Auslandsvorbericht, war regelmäßig geimpft und entwurmt und war ansonsten gesund.
Die klinische Allgemeinuntersuchung war vollständig unauffällig. In der dermatologischen Untersuchung zeigte der Hund eine scharf abgegrenze Hypotrichose ab Mitte der Brustwirbelsäule nach kaudal ziehend. Flanken, Brust, Bauch, Hintergliedmaße und Schwanz waren hypotrichot und mit hochgradig trockenen, hellen Schuppen bedeckt. Die Haut war nicht gerötet (Fotos 1 bis 4). Die Untersuchung auf Flohkot, sowie das oberflächliche und tiefe Hautgeschabsel waren negativ. Im Trichogramm stellten sich 80 Prozent telogene und 20 Prozent anagene Haarwurzeln dar. Die Haare waren von Keratinmanschetten ummantelt und vermehrt abgebrochen. Die Abklatschzytologie der Haut war negativ.
Differentialdiagnostisch wurden aufgrund des Erscheinungsbildes zunächst Haarfollikeldysplasie (black hair dysplasia), Sebadenitis, Infektion (Dermatophytose, Leishmaniose), Vaskulitis in Betracht gezogen.
Zum sicheren Ausschluss einer Dermatophytose wurde eine weitere Dermatophyten-PCR eingeleitet, diese kam negativ zurück. Daraufhin wurde ein Termin zur Hautbiopsie-Entnahme vereinbart.
Es wurden insgesamt vier Hautbiopsien von 8 mm Durchmesser entnommen und zur histopathologischen Untersuchung eingesandt (Foto 5).
In der histopathologischen Untersuchung wurde eine lymphohistiozytäre, perifollikuläre Dermatitis mit muraler Follikulitis und Zerstörung der Talgdrüsen, sowie Hidradenitis diagnostiziert. Pilze und Parasitenfärbungen waren negativ, die Pathologen zogen jedoch eine autochthone Leishmanien-Infektion in Betracht. Eine Sebadenitis oder auch Vaskulitis wurden aufgrund der Befunde ausgeschlossen. Die histopathologischen Präparate wurden daher per PCR auf Leishmanien untersucht, zudem wurde ein Reisekrankheitenprofil eingeleitet. Parallel wurde nach dem Fädenziehen die Therapie mit hydrierenden Hautpflegeprodukten gestartet (DermAllay Oatmeal Shampoo zwei- bis dreimal pro Woche und Propylenglykol, gemischt mit Wasser, in einem Verhältnis von 1:1, einmal täglich), was bei einer regelmäßigen Anwendung alle zwei Tage zu einer verringerten Schuppenbildung und einhergehenden deutlichen Verbesserung des Juckreizes führte (insgesamt ca. 30 Prozent Besserung). Da alle Ergebnisse negativ ausfielen, wurde zum Ausschluss einer atypischen bakteriellen Infektion, sowie zur Immunmodulation eine Therapie mit Doxycyclin 10 mg/kg gestartet.
Nach vier Wochen Doxycyclin war eine deutliche Besserung zu sehen, die lokale Therapie konnte reduziert werden, die Schuppen war fast weg und der Haarausfall hatte sich deutlich reduziert, sodass auch das Haarkleid deutlich voller war (Foto 6). Auch der Juckreiz war vollständig verschwunden. Das Doxycylin wurde daraufhin abgesetzt und der Hund wurde zunächst weiter lokal behandelt.
Weitere vier Wochen später war das Fell wieder komplett nachgewachsen und der Hund war symptomlos (Foto 7).
Mittlerweile ist der Hund seit über eineinhalb Jahren symptomlos und benötigt keine weitere Therapie (Foto 8).
Diskussion
Was der Auslöser der Erkrankung war konnte schlussendlich nicht geklärt werden. Differentialdiagnostisch kommen aufgrund des Ansprechens auf Doxycyclin und eine bakterielle Infektion, sowie aufgrund dessen immun-modulatorischer Wirkung eine immun-mediierte Symptomatik durch einen unbekannten Trigger in Frage. Zwar konnten weder zytologisch noch histopathologisch Bakterien nachgewiesen werden, zum sicheren Ausschluss der Diagnose wäre zusätzlich eine aerobe und anaerobe Kultur von steril entnommenen Gewebeproben (Mazerationskultur) sinnvoll gewesen.
Bezüglich der vorangegangenen Diagnostik ist wichtig hinzuzufügen, dass auch ein erhöhter Sarcoptestiter nicht beweisend für eine Infektion ist. Zudem war die Symptomatik des Hundes nicht typisch für Sarcoptes Räude. Sarcoptes Räude verursacht typischerweise hochgradigen Juckreiz, vor allem an den lateralen Carpi und Tarsi, sowie gelbliche Krusten an Bereichen, an den sich der Hund diese nicht weg Kratzen oder Lecken kann. Eine Alopezie kann zwar sekundär selbstinduziert auftreten, jedoch hauptsächlich in Zusammenhang mit Exkoriationen. Demodexmilben, welche Alopezien hervorrufen können, hätten mittels tiefem Hautgeschabsel nachgewiesen werden können. Cheyletiellose verursacht verstärkte Schuppenbildung, v.a. im Rückenbereich, aber nur selten Alopezie. Eine diagnostische Therapie mit Antiparasitika bzw. eine regelmäßige Parasitenprophylaxe während der weiteren Abklärung ist in jedem Fall sinnvoll.
Wie bei einer Sebadenitis wurden die Talgdrüsen des Hundes, vermutlich durch immunologische Mechanismen, zerstört, was die ähnliche Symptomatik beider Erkrankungen und das Ansprechen der topischen Therapie erklärt. Jedoch passt weder die Rasse, noch das histopathologische Bild zu einer Sebadenitis, da es sich um eine ausgedehnte follikelbezogene Entzündung handelte. Anders als hier konzentriert sich die Entzündung bei einer Sebadenitis auf die Zerstörung der Talgdrüsen. Für die erfolgreiche Therapie einer Sebadenitis ist in der Regel die dauerhafte Gabe von Immunsuppressiva und/oder intensiver hautfettender Therapie notwendig. Dagegen erreichte unser Hund eine komplette Remission, ohne dass nach der vierwöchigen Doxycyclin-Gabe eine weitere Therapie nötig war. Auch dies spricht für eine getriggerte immunologische Reaktion, mit einem vorrübergehenden Trigger.
Warum bei diesem Hund ein Allergievortest auf Umweltallergene durchgeführt wurde, ist dagegen sehr fraglich. Weder passt die Symptomatik zu einer Umweltallergie (man würde anfangs einen milden Juckreiz erwarten, an den typischen Lokalisationen, wie Pfoten, Inguinalbereich, Achseln, Ohren, ohne primären Haarausfall), noch kann die Diagnose durch einen Serumallergietest gestellt werden, sondern ist rein klinisch durch Ausschluss der Differentialdiagnosen. Dieser Kostenpunkt hätten dem Besitzer demnach erspart werden können.
Bilder
Abb. 1 bis Abb. 4: Hautbild bei Erstvorstellung
Abb. 5: Hautbild zum Zeitpunkt der Biopsie
Abb. 6: Vier Wochen Doxycyclin
Abb. 7: Ein Monat nach Therapie-Ende
Abb. 8: Aktuelles Bild (6/24), 1,5 Jahre seit Therapieende