Deutsche Gesellschaft für Veterinärdermatologie

Trichophytie beim Hund – eine diagnostische Herausforderung

Jack Russell Terrier Charly

05. Juli 2011 / Dr. med. vet. Birgitta Nahrgang

Einleitung

Am 26. April 2010 wurde der 9-jährige Jack Russell Terrier "Charly" wegen Hautveränderungen im Gesicht und am Rücken in meiner Praxis vorgestellt. Vorausgegangen war eine antibiotische Behandlung beim Haustierarzt, welche sowohl per os als auch topisch mit diversen Präparaten erfolgte.

Nasenrücken mit Pusteln und einem Erythem

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung verlief unauffällig. Charly zeigte ein ungestörtes Allgemeinbefinden und nur einen geringgradigen Juckreiz.

Hautuntersuchung

Auf dem Nasenrücken und periokulär fanden sich eine exfoliative Dermatitis, Alopezie, Krusten, Pusteln und ein Erythem. Auch am Rücken waren ebenfalls ein Erythem und Alopezie zu finden. Die weiterführende Untersuchung umfasste Hautgeschabsel, eine mikroskopische und kulturelle Untersuchung auf Dermatophyten sowie eine Zytologie.

Differenzialdiagnosen

  • Dermatophytose
  • Demodikose
  • Pyodermie
  • Autoimmunerkrankungen (Pemphigus foliaceus, discoider Lupus erythematodes)
  • Allergie

Ergebnisse der weiterführenden Untersuchungen

Die eingeleitete mikroskopische und kulturelle Untersuchung auf Dermatophyten war sowohl in eigener Praxis als auch im Fremdlabor negativ.

Mykologischer Befund I

Mikroskopisch wurden Hautpilze nicht nachgewiesen.
Kulturell bakteriologisch wurde folgender Keimgehalt nachgewiesen: aerobe Bazillen +.
Kulturell wurden Hautpilze nicht nachgewiesen.

Zeichenerklärung:

(+) einige Einzelkolonien, + geringer Keimgehalt, ++ mittlerer Keimgehalt, +++ hoher Keimgehalt

Das Hautgeschabsel führte zum Ausschluss von Demodexmilben. In der zytologischen Untersuchung fanden sich massenhaft Kokken und neutrophile Granulozyten, diese zum Teil auch mit phagozytierten Kokken sowie einige eosinophile Granulozyten und Makrophagen. Da der Juckreiz eher mild in Erscheinung trat, schien eine Allergie eher unwahrscheinlich. Ein autoimmunes Geschehen konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund dieser Befunde lautete die vorläufige Diagnose "Pyodermie".

Verlauf

Charly wurde über drei Wochen mit Cefalosporinen in einer Dosis von zweimal täglich 25 mg/kg Körpergewicht per os behandelt. Bei Wiedervorstellung war sein Zustand wie zuvor. Daraufhin entschieden wir uns, eine histologische Untersuchung einzuleiten. Jeweils drei bzw. vier Biopsien wurden an zwei verschiedene Histopathologen zur Beurteilung geschickt. Übereinstimmend diagnostizierten beide eine Pyodermie, einer vermutete zusätzlich eine Dermatomyositis. Beide schlossen das Vorliegen einer Dermatophytose explizit aus.

Histologischer Befund I

Description

Number of biopsies examined – 3. The epidermis has hyperkeratosis with mild acanthosis without rete and vacuolation of basal cells. The dermis has a mild interface mononuclear infiltrate with lymphocytes predominance.

Follicles are in telogen and atrophic with dilated sweat glands, furunculosis and multiple dermal nodules of plasma cells. The adjacent muscle is normal as are vessels. No bacteria, yeasts, Demodex or fungi were seen.

Morphological diagnosis

Interface (cytotoxic) cell-poor dermatitis with atrophy. (Vascular alopecia?).
Furuncolosis

Aetiological diagnosis

The pathology is most consistent with familial dermatomyositis with most hair loss due to severe deep pyoderma.

Comments

There has been severe pyoderma in this dog and it is the most prominent histological feature. Close examination shows the interface pathology although I was unable to find muscle or vascular abnormality. Are there any lesions on the tail or paws? The hair loss is probably permanent.

In canine dermatomyositis, there is muscle inflammation and atrophy but the primary lesion is vasculitis. The lesions wax and wane, accounting for some "response" to therapy. It is classified as a form of chronic lupus. DM was first noted in USA soon after vaccinating for canine parvovirus began. Parvovirus B19 is a known trigger in humans. DLA haplotype probably predisposes individuals to develop disease. It is not uncommon in this breed and there may be adult-onset DM. In humans, DM may be triggered by numerous things including drugs and neoplasia. No pemphigus, zinc responsive dermatosis or mycosis.

Schnauze mit Pusteln
Erythem und Alopezie am Rücken

Histologischer Befund II

Fünf bis 0,5 cm breite Hautstanzen mit fein behaarter bzw. spärlich behaarter, hellbrauner Oberfläche. Anhängend ein bis 0,3 cm breiter Saum weichen Gewebes. Im Schnitt der vier größten Hautstanzen verwaschene Grenze zwischen der schmalen Epidermis und dem feinsträhnigen Stützgerüst.
(Die vier größten Hautstanzen in je zwei parallele Schnitte lamelliert, die kleinste in toto eingebettet und an Stufenschnitten, einschl. Spezialfärbungen, untersucht)

An der freien Oberfläche der Stufenschnitte ein teilweise verdickter, akanthotischer epidermaler Saum mit einer schmalen hyperkeratotischen Schicht. Dicht darunter, sich partiell weit in die Tiefe erstreckend, große Ansammlungen von Granulozyten mit eingestreuten Lymphozyten, Plasmazellen und einzelnen Mastzellen. Stellenweise Einschmelzung des Gewebes. Überall eingelagert schmale Gefäße, teilweise ebenfalls mit Granulozyten gefüllt. Im Stützgerüst weiterhin Haarabläge mit teils erhaltenen, teils zerstörten Haarschäften und zusätzlichen Entzündungszellen. Anhängend einzelne Talg- und apokrine Drüsen, letztere mit geweiteten Lumina und gestautem Sekret. In der Tiefe Läppchen reifen Fettgewebes mit verbreiterten Septen, durch weitere Entzündungszellen gekennzeichnet.

Beurteilung
  • Massive chronische Dermatitis mit partieller Akanthose der Epidermis und herdförmiger Abszedierung.
  • Pilze und Parasiten negativ.
  • Kein Anhalt für hormonelle Imbalanz oder Allergie.
Kritischer Bericht

Das vorgefundene histologische Bild gehört in den Formenkreis der Pyodermie. Eine bakteriologische Untersuchung mit Resistenztest wird empfohlen. Eine zugrunde liegende Dermatophytose wurde anhand einer Spezialfärbung und mehrerer Stufenschnitte überprüft. Pilzelemente sind aber nicht nachweisbar. Keine Hinweise auf eine zinc responsive dermatosis oder eine Autoimmunerkrankung.

Charly wurde erneut mehrere Wochen antibiotisch behandelt, dieses Mal mit Enrofloxazin in einer Dosis von 5mg/kg Körpergewicht pro Tag per os und zusätzlicher topischer Behandlung mit Mupirocin. Eine aufgrund weiterer Verschlechterung seines Zustandes eingeleitete bakteriologische Untersuchung führte zu dem Ergebnis eines geringgradigen unspezifischen Keimgehaltes.

Bakteriologischer Befund I

Kulturell bakteriologisch wurde folgender Keimgehalt nachgewiesen: Staphylococcus epidermidis +, aerobe Bazillen (+), Corynebacterium sp. ++, Schimmelpilze (Alternaria sp.) +.

Zusätzlich erhielt der Hund Pentoxyfillin (zweimal täglich 20mg/kg Körpergewicht) und Vitamin E, da eine Histopathologie die Vermutung einer Dermatomyositis äußerte. Der Zustand von Charly verschlechterte sich weiterhin unter der Therapie, die Läsionen breiteten sich aus. Wir verabreichten zusätzlich Prednisolon in einer Dosis von einmal täglich 2 mg/kg Körpergewicht für drei Wochen. Kurzfristig verbesserte sich der Zustand von Charly geringgradig, um sich dann aber wieder zu verschlechtern.

Im September entschieden wir uns für eine weitere histopathologische Untersuchung.

Schnauze und Kopf mit dicken Pusteln
Die Hautläsionen heilen

Histologischer Befund III

Description

Number of biopsies examined – 4. There is hyperkeratosis but minimal acanthosis of the epidermis and mild lymphocyte exocytosis. The upper dermis has a moderate infiltrate of neutrophils, lymphocytes and plasma cells. There is neutrophilic luminal folliculitis and furunculosis with many plasma cells and neutrophils and haemorrhagic abscesses throughout the dermis. Deep focal oedema is adjacent to muscle bundles with variation in fibre size and active nuclei. No bacteria, Demodex, yeasts or dermatophytes seen.

Morphological diagnosis

Furunculosis and nodular dermatitis

Aetiological diagnosis

There are both follicular and superficial non-follicular versions of pyoderma. Both are present. The superficial form used to be called "haemorrhagic bullae disease".

Comments

There is mild cytotoxic dermatitis and there may be mild myositis. This is controlled dermatomyositis-like disease. There are no dermatophytes in the sections and no pemphigus.

Thank you for the photos and letter. Charlie looks terrible. The dermatomyositis is not curable. The pyoderma is the main problem and the inter-follicular superficial type is difficult to control. Sometimes it responds to antibiotics initially but then needs steroids when the disease recurs. Bacterial infection is difficult to demonstrate (sampling problem or real?). Toxins may be involved but Charlie is probably immunodeficient. They will not cure but antibacterial topical may help and sun screen is another recommendation. Do you belong to one of the clinical listserves? I will ask for help on the pathology listserve and send another report if I get some helpful advice.

I asked for clinical advice on the ISVD listserve and have two replies. One discussed a dog with dermatomyositis and fungal infection that improved but was not cured with elimination of the fungi. (I have seen two or three similar cases.) The other wrote:

"Some of the Jack Russell terriers I have seen with ischaemic dermatopathy/vasculitis fail to respond to pentoxyfylline alone and need long term treatment with prednisolone. My clinical impression is that the dogs with mild signs i.e. ear tips alone tend to respond to pentoxyfylline. The ones with more extensive signs need long term steroid treatment. Once in remission it can be tapered to the lowest dosage on alternate days.

I have had one dog respond to oxytetracyline/nicotinamide treatment. Two other I tried on that combination exhibited neurological signs so it was discontinued."

You are not alone in struggling with this case – but there are no easy answers.

Final Report

Another listserve comment (from France- others from Canada and UK): "We have one JR that responded well to ciclosporine + propentofylline"

Da das Ergebnis nicht eindeutig war, folgte eine weitere mykologische Untersuchung. Sowohl mikroskopisch, als auch kulturell führte diese zu einem positiven Ergebnis.

Mykologischer Befund II

Mikroskopisch wurden Hautpilze nachgewiesen. Kulturell bakteriologisch wurde folgender unauffälliger Keimgehalt nachgewiesen: α-häm. Streptokokken +, Staphylococcus epidermidis +, aerobe Bazillen (+), Corynebacterium sp. +. Kulturell wurden Hautpilze nachgewiesen. Phänotypisch handelt es sich um Arthroderma benhamiae, die perfekte Fruchtform von Trichophyton mentagrophytes.

Diagnose

Es handelte sich um eine Pilzinfektion mit Trichophyton mentagrophytes. Nach eingeleiteter antimykotischer Therapie verbesserte sich Charlys Zustand zusehend. Nach sechs Wochen war sein Zustand wie auf dem Foto sichtbar gut, die Hautläsionen waren abgeheilt.

Die Hautläsionen sind abgeheilt

Diskussion

Die Problematik der Diagnosefindung ist das zentrale Thema dieses Fallberichtes. Die Follikulitis und Alopezie lassen die Differenzialdiagnosen Demodikose, bakterielle Follikulitis, Dermatophytose sowie Autoimmunerkrankungen zu. Von unserer Seite erfolgte eine sorgfältige Abklärung auf ein mykotisches Krankheitsgeschehen. Eine übersehene Pilzerkrankung kann weitreichende und unangenehme Folgen für den Menschen und Kontakttiere nach sich ziehen. Hier stellt sich die Frage, wie groß die Sensitivität für den mykologischen Nachweis ist? In drei histologischen Untersuchungen mit Spezialfärbungen konnte kein Pilz nachgewiesen werden. Ebenso waren die zunächst veranlassten kulturellen und mikroskopischen Untersuchungen negativ.

Könnte eine Überlagerung durch die bakterielle Infiltration eine Erklärung sein? Erschwert das gleichzeitige Vorliegen der für Dermatomyositis charakteristischen Veränderungen den mykologischen Nachweis? Kann ein Hautpilz eine dermatomyositisähnliche histologische Veränderung bewirken? Sollte man in Zukunft alleine bei klinischem Verdacht unabhängig von histologischen und kulturellen Ergebnissen "blind" auf Pilze behandeln? In diesem Fall wäre dies sicher der richtige Weg gewesen, da sich die Symptome nach antibiotischer Therapie nicht, nach der antimykotischen Behandlung jedoch schlagartig verbessert haben. Gerne würde ich das Thema zur Diskussion stellen. Eine Stellungnahme von Histopathologen zu diesem Thema wäre interessant!

Kurzvita

Dr. med. vet. Birgitta Nahrgang
Fachtierärztin mit eigener Praxis in Köln
Mitglied der DGVD (Deutsche Gesellschaft für Veterinärdermatologie)
Mitglied des Arbeitskreises Dermatologie Westdeutschland
E-Mail: info@koelntierarzt.de

Weitere spannende Fälle

powered by webEdition CMS