Ungewöhnlicher Ichthyose Fall
Golden Retriever Holly
09. April 2019 / Dr. med. vet. Claudia Kreil-Ouschan, Fachtierärztin für Dermatologie
Holly (Abb. 1), ein zwölf Wochen alter weiblicher Golden Retriever, wurde mir in meiner Ordination FELLcheck.at erstmalig im Oktober 2018 vorgestellt.
Vorbericht
Die Hautläsionen waren dem Besitzer erstmalig im Alter von achteinhalb Wochen aufgefallen. Der Hund zeigte keinen Juckreiz. Beim Haustierarzt wurden vorab folgende Therapieansätze durchgeführt: Surolan®-Ohrentropfen (Miconazol, Polymyxin B, Prednisolon) lokal und Simparica® (Sarolaner). Da keine Verbesserung innerhalb von zehn Tagen festgestellt wurde, bekam der Hund zusätzlich eine Convenia® (Cevovecin) Injektion und eine antibiotische Salbe. Im Zuge der Therapie zeigte sich eine Ausdehnung der Läsionen laut Besitzer.
Klinische Untersuchung
Bei der allgemeinen klinischen Untersuchung wurden keine Veränderungen abseits der Norm gefunden.
Bei der dermatologischen Untersuchung zeigte der Hund an vier Körperstellen (symmetrisch Achsel und Bauch) gleichwertige Hautläsionen: erythematöse circuläre Dermatitis mit Hyperpigmentation im Zentrum (Abb. 2). Vereinzelt konnte an einigen anderen Körperstellen eine ggr. Seborrhoe sicca festgestellt werden.
Weiterführende Untersuchungen
Die daraufhin durchgeführten Untersuchungen – Diaskopie, Woodsche Lampe, Trichogramm und Hautgeschabsel - verliefen negativ.
Zytologisch fanden sich Korneozyten und Kokken, Bact. Overgrowth.
Die bakterielle und mykologische Labor-Untersuchungen waren negativ.
Das Blutbild inkl. Blutchemie und ANA waren komplett unauffällig.
Bei der anschließend durchgeführten Hautbiopsie zeigte sich folgendes Bild
Mikroskopischer Befund
Durchgeführt wurden gemäß der gültigen Standardarbeitsanweisungen die Färbungen: H.E., PAS-Reaktion. In der Epidermis zeigte sich eine mittelgradige, teils auch hochgradige lamelläre orthokeratotische Hyperkeratose (mit Follikelkeratose) und unterschiedliche Grade einer, teils irregulären, Hyperplasie. In der oberflächlichen Dermis bestand eine geringgradige, nichteitrige Infiltration von Entzündungszellen, die sich überwiegend gefäßassoziiert darstellte. Die Talg- und Schweißdrüsen waren ohne Befund und die Haarfollikel aktiv. Die histologische Pilzfärbung verlief negativ.
Diagnose:
Dermatitis mit Hyperkeratose und Dyskeratose
Kritischer Bericht
Die Entzündung war wenig spezifisch und entsprach einer Überempfindlichkeitsreaktion. Die Epidermis zeigte irreguläre Areale wie bei einer Dysplasie. Aufgrund der abschnittsweise hochgradigen Hyperkeratose wird eine milde Form einer Ichthyose angenommen.
Der anschließend durchgeführte Gentest auf Ichthyose war ICH/ICH. Das untersuchte Tier ist reinerbig (homozygot) für die ursächliche Mutation für Ichthyose im PNPLA1-Gen.
Ichthyose
Die Ichthyose ist eine angeborene Keratinisierungsstörung. Es gibt eine Rasseprädisposition beim Golden Retriever. Die klinischen Symptome werden häufig bereits im Welpenalter festgestellt, gelegentlich aber auch erst bei älteren Tieren. Typisch sind festanhaftende, weisse Schuppen, die in großen Flocken abschilfern (Abb. 3). Weitere Symptome können sein: ventrale Hyperpigmentation, Erythem, Alopezie, Hyperkeratose.
Der Nachweis erfolgt mittels Hautbiopsien oder / und Gentests. In der Biopsie stellt man die Diagnose durch den histopathologischen Nachweis einer diffusen lamellären Orthokeratose und dem Fehlen eines begleitenden Entzündungsgeschehens. In Deutschland steht ein genetischer Test zur Verfügung, der Erbgang ist autosomal-rezessiv (LABOKLIN).
Eine Heilung gibt es nicht. Die Therapie beruht auf einer Reduzierung der Menge der sichtbaren Schuppen und die Verbesserung der Hautbarriere. In der Regel reicht es aus, den Patienten mit einem milden, emollierenden Shampoo zu baden. Parallel gibt es Produkte zur Unterstützung der Barrierefunktion der Epidermis (Spot Ons, Lotions, …). Zusätzlich eignet sich Nahrung mit einem hohen Anteil an essentiellen Fettsäuren (Skin Care, Royal Canin) oder eine Zugabe an essentiellen Fettsäuren in Form von verschiedenen Präparaten.
Therapie
Die Eliminations-Diät (Hypoallergenic, Royal Canin) und lokale Therapie mit Propylenglykol zeigte innerhalb von wenigen Wochen eine Verbesserung und Abheilung der Hautläsionen (Abb. 4). Die Läsionen konnten durch mehrere Futterprovokationen im Anschluss an die Diät nicht wieder hervorgerufen werden. Damit war eine Futterunverträglichkeit ausgeschlossen.
Im weiteren Verlauf wurden bei Holly essentielle Fettsäuren substituiert und die Besitzer machen eine regelmässige lokale Therapie. Bis dato sind keine neuen Hautläsionen mehr aufgetreten und der Hund zeigt nur eine geringgradige Schuppenbildung.
Diskussion
Hollys Fall beschreibt ein atypisches Erscheinungsbild der Keratinisierungsstörung. Das Erythema anulare centrifugum ist eine Erkrankung beim Menschen, die das idente Erscheinungsbild zum vorgestellten Patienten zeigt. Verschiedene Faktoren, wie z.B. Kontaktdermatitiden, bakterielle, virale oder Pilz-Infektionen, Arzneimittelreaktionen, Lupus erythematodes, Psoriasis, … sind in der Humanmedizin als Ursachen beschrieben. Eine non-food-induced Atopische dermatitis sollte differentialdiagnostisch bedacht werden, da in den entnahmen Hautproben histologisch Hinweise auf eine Überempfindlichkeitsreaktion vorhanden waren. Die topische Therapie könnte diese kontrollieren. Holly zeigte aber zu keinem Zeitpunkt Juckreiz. Bei dem hier vorgestellten Patienten konnte als Ursache eine Ichthyose bestätigt werden.
Literatur
Wagner, R., Gunreben, B. (2016): Hauterkrankungen und Gentests. Kleintier konkret 19(04): 42-43
Miller, W.H., Griffin, C.E., Campbell, K.L. (2012): Muller & Kirk´s Small Animal Dermatology. Ichthyosis. 577-579
Bilder
Abb. 1: Holly, Golden Retriever Welpe
Abb. 2: Hautläsion bei der Erstvorstellung
Abb. 3: Hautschuppen bei der typ. Ichthyose
Abb. 4: Hautläsion nach Therapie